Nikosia/Würzburg (POW) Ein drückend heißer Nachmittag in Nikosia. Im Aufnahmelager Pournara haben sich mehrere Dutzend Menschen versammelt. An Tischen mit Tischdecke, Blumenschmuck und Gewürzstreuern wird Suppe verteilt, dazu Reis, Gemüse und nach Wahl Fisch, Hähnchen oder Linsen. Einige der Gastgeber sitzen an den Tischen und unterhalten sich mit den Gästen. Schon die Atmosphäre macht deutlich: Hier ist kein Kantinenbetrieb, sondern ein „Restaurant der Freundschaft“. Würzburger Ehrenamtliche der Gemeinschaft Sant‘Egidio tragen Tabletts, bedienen, lächeln. „Allein dieser kleine Unterschied – dass jemand den Teller an den Platz bringt – verändert die Stimmung“, sagt Wirtschaftsingenieurin Theresa Kroschewski (29).
Seit Anfang August ist sie zusammen mit Johanna Raphael (28), Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in Ausbildung, Juristin Larissa Henn (35), Lehrer Johannes Propst (28) und der evangelisch-lutherischen Pfarrerin im Schuldienst Angelika Wagner auf Zypern. Im Rahmen des „Sommers der Solidarität“ der Gemeinschaft Sant’Egidio verbringen sie elf Tage mit Menschen, die aus Syrien, Afghanistan, Somalia und vielen anderen Ländern geflohen sind. Insgesamt ist die Gemeinschaft Sant’Egidio mit einem internationalen Team sechs Wochen vor Ort, verschiedene Gruppen wechseln sich ab. „Jeder, dem wir begegnen, trägt eine Geschichte in sich – oft voller Leid, aber auch voller Hoffnung“, sagt Raphael.
Eine dieser Geschichten erzählt eine somalische Mutter. Zusammen mit ihren zwei jugendlichen Kindern lebt sie seit Monaten in einem Appartement in Limassol – gemeinsam mit 13 weiteren Personen. „Wir teilen uns ein kleines Zimmer“, berichtet sie. Die Kinder gehören trotzdem zu den Besten ihrer Klasse. „Sie lernen mit unglaublicher Disziplin, weil sie wissen: Bildung ist ihre einzige Chance.“
Auch im Lager Kofinou treffen die Würzburger auf vertraute Gesichter. Syrische Familien, die sie schon im Vorjahr kennengelernt hatten, leben immer noch hinter Stacheldraht, ohne Asylbescheid. Kinder kicken auf staubigem Boden einen alten Fußball, sprechen perfektes Englisch – und sagen: „Wir wollen nicht nur Flüchtlinge sein. Wir wollen Bürger werden.“ Dabei sei gerade die zypriotische Wirtschaft in vielen Bereichen auf die Arbeit von Migrantinnen und Migranten angewiesen. Besonders im Tourismus werde das täglich sichtbar.
Die Zustände in manchen Camps seien bedrückend. Besonders das Lager Limnes wirke wie ein Ort ohne Zukunft. „Es gibt kaum hygienische Standards, viele Menschen sind apathisch geworden“, erzählt Henn. Für ein paar Stunden am Nachmittag versuchen die Freiwilligen, mit der „Schule des Friedens“ Licht in den Alltag zu bringen: Spiele, zeichnen, Geschichten erzählen. „Die Kinder lachen – und das ist wie ein kleines Wunder“, sagt Propst.
Doch die Arbeit habe Grenzen. Viele Geflüchtete seien oft hochgebildet, sprächen mehrere Sprachen und hätten studiert – und landeten nun in schlecht bezahlten Jobs in Fast-Food-Ketten. Fast allen wurde das Asyl bereits verweigert. „Die Menschen stecken in einer Warteschleife ohne Ende“, sagt Wagner. Programme wie die Humanitären Korridore, die legale Wege nach Europa eröffneten, sind derzeit ausgesetzt. „Die EU setzt auf Abschreckung statt auf Integration.“
Trotz aller Verzweiflung, so berichten die Würzburger, erfahren sie auch viel Dankbarkeit. Ein gemeinsames Essen, ein Lied, ein abendliches Fußballspiel – kleine Gesten bedeuteten den Geflüchteten sehr viel. Sie zeigten: „Ihr seid nicht allein“. Manchmal reiche es, zuzuhören, sagt Kroschewski. „Die Menschen spüren, dass sie als Mensch ernst genommen werden.“
Wenn die fünf Ehrenamtlichen zurückkehren, nehmen sie viele Bilder mit nach Würzburg: Das Lachen der Kinder in der Schule des Friedens, die Tränen einer Mutter beim Abschied, das stolze „Thank you“ eines Jungen, der gerade seine ersten englischen Sätze gelernt hat. „Wir können die Probleme nicht lösen. Aber wir können die Geschichten bewahren – und dafür sorgen, dass sie auch in Deutschland gehört werden“, sagt Wagner.
mh (POW)
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